Wittmund

Die jüdische Gemeinde in Wittmund hat ihre Ursprünge im frühen 17. Jahrhundert. Die Synagoge, die 1816 erbaut und 1938 abgerissen wurde, und die jüdischen Friedhöfe sind bedeutende Zeugnisse ihrer Geschichte. Während der NS-Zeit wurden die jüdischen Friedhöfe geschändet, Wohnungen und Geschäfte geplündert. Bis 1940 wurden die jüdischen Bewohner vertrieben, was das Ende der jüdischen Gemeinde in Wittmund markierte.

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Jüdisches Leben

Die Anfänge der jüdischen Geschichte von Wittmund gehen auf das frühe 17. Jahrhundert zurück. Das erste jüdische Familienoberhaupt wurde 1639, vermutlich in einer Schatzungsliste, aufgeführt. 1645 erhielten drei jüdische Familien auch juristisch ein zeitlich begrenztes Ansiedlungsrecht, das ihnen der von Graf Ulrich II. ausgestellte Generalgeleitsbrief garantierte.

Kurzfristig hatte die kleine jüdische Gemeinde in Wittmund eine etwas bedeutendere Stellung inne, fanden hier doch bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts auch die Toten der jüdischen Gemeinden in Esens und in Neustadtgödens ihre letzte Ruhe.

Über das Zusammenleben zwischen jüdischer und christlicher Bevölkerung findet sich zu der Anfangszeit wenig. Allerdings ereignete sich ein schwerwiegender Vorfall am 15. März 1668. Christliche Bürger beschuldigten die jüdischen Bewohner der Stadt ein christliches Kind gekauft und nach Neustadtgödens gebracht zu haben. Dort soll es gemästet und ihm jeden Tag Blut abgezapft worden sein. Aus dem Blut sollten dann die Osterbrote (Mazzot) gebacken werden, um das Kind anschließend als Osterlamm zu schlachten. Die daraufhin erfolgten Ausschreitungen in Wittmund können als erster Pogrom auf ostfriesischem Gebiet bezeichnet werden.

Erwähnt wurde die jüdische Gemeinde auch in der Autobiografie der jüdischen Kauffrau Glückel von Hameln. 1673 bereiste sie Ostfriesland und verbrachte in Wittmund mit Verwandten ihres Mannes das jüdische Neujahrsfest. Aufgrund ihrer beruflichen Beschränkungen waren die jüdischen Familienoberhäupter vornehmlich im Schlachtgewerbe und im Kleiderhandel tätig, was sich bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in sehr armseligen Verhältnissen ausdrückte.

Erst mit der sogenannten jüdischen Emanzipation gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbesserte sich die wirtschaftliche Lage. Mit der Etablierung von eigenen Läden in der Stadt, kamen einige jüdische Familien zu einem bescheidenen Wohlstand. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verließen jedoch immer mehr Juden den Ort und wanderten in wirtschaftlich interessantere Standorte ab.

Mit dem Erstarken der NSDAP und anderer völkischer Parteien, die bei Wahlen im Landkreis Wittmund in den 1920er Jahren deutschlandweite Spitzenwerte erzielten, wurden auch die Repressalien gegenüber der jüdischen Bevölkerung stärker. 1933 lebten noch 40 jüdische Personen in Wittmund und 1940 mussten die letzten zwölf jüdischen Bewohner Wittmunds den Ort verlassen.

Synagoge

1811 erwarb die jüdische Gemeinde in der heutigen Kirchstraße (12) ein Haus, das man abreisen ließ, um auf dem frei werdenden Grundstück die neue Synagoge erbauen zu können.

Zwischen 1815 und 1816 erfolgte dann der Neubau, nachdem die jüdische Gemeinde die Erlaubnis erhalten hatte, einen Teil des Geldes für das Gotteshaus über Spenden finanzieren zu lassen. Der einstöckige Klinkerbau im Stil einer Landsynagoge bot Platz für ca. 60 – 80 Personen und wurde am 30. Januar 1816 feierlich eingeweiht.

Zum 50jährigen Bestehen der Synagoge gab es einen Festakt, an dem auch die christliche Bevölkerung regen Anteil nahm. Am 01. Juli 1938 musste die jüdische Gemeinde die Synagoge an einen christlichen Kaufmann verkaufen, der den Bau noch im selben Jahr abreisen ließ (dazu gibt es Aufnahmen aus dem Stadtarchiv). Seit 1996 erinnert eine Gedenkplatte, eingelassen am ehemaligen Standort, an die Synagoge.

Jüdische Friedhöfe

Die genaue Anzahl der jüdischen Friedhöfe in Wittmund ist nicht sicher zu benennen. Sie schwankt zwischen zwei und drei.

Die erste Erwähnung eines jüdischen Friedhofes stammt aus dem Jahre 1684 in der Beschreibung des Harlingerlandes von Balthasar Arend. Ab 1690 wird den umliegenden jüdischen Gemeinden verboten, ihre Toten dort weiterhin beerdigen zu lassen, da der Friedhof bereits voll belegt sei.

Somit ist es unwahrscheinlich, ob der jüdische Friedhof an der Finkenburgstraße identisch mit dem zuvor genannten ist. Seine Nutzung ist erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gesichert.

Während der NS-Zeit wurde dieser Friedhof geschändet und die Steine weitgehend abgeräumt. Zudem wurde auf dem Areal ein Luftschutzbunker errichtet.

1899 war auch dieser Friedhof zu klein, sodass die jüdische Gemeinde 1902 außerhalb der Stadtgrenze an der Auricher Straße in Willen ein neues Areal einweihte. Dieser Friedhof wurde bis in die 1930er Jahre genutzt. Auch dieser Friedhof wurde geschändet. In den 1950er Jahren wurden beide Friedhöfe wieder instand gesetzt.

Mikwe (jüdisches Ritualbad)

Die erste urkundliche Erwähnung einer Mikwe geht zurück auf einen Bericht des Landesrabbiners von 1896. Das kurz zuvor renovierte Ritualbad lag in der Klusforderstraße und wurde laut Bericht, nur wenig genutzt. Das Haus, indem es auch eine Wohnung für den Synagogendiener gab, hatte ein aus Wittmund stammendes und in Kopenhagen gestorbenes ehemaliges Gemeindemitglied gestiftet. Mit dem Schulneubau 1911 wurde das alte Bad aufgegeben und das neue Bad in dem Schulgebäude integriert.

Jüdische Schule

Der Unterricht wurde zunächst in Privathäusern von „Wanderlehrern“ erteilt, die kein eigenes Bleiberecht in der Gemeinde besaßen. In der Folge mussten die jüdischen Kinder, war die Gemeinde unzufrieden mit dem Lehrer, entweder auf einen neuen Lahrer warten, oder sie wurden durch Religionskundige im Ort unterrichtet.

Im 19. Jahrhundert etablierte sich ein „Schullocal“, ein Nachbargebäude der späteren Synagoge in der Kirchstraße. Allerdings entsprach das alte Schul- und Gemeindegebäude nicht mehr den Anforderungen der Zeit. Schließlich fand sich ein Baugrundstück in der Buttstraße.

1911 konnte das neue Schulgebäude als Elementarschule mit einer Lehrerwohnung eingeweiht werden. Bereits 13 Jahre später musste die Schule jedoch geschlossen werden. 1923 besuchten gerade einmal sechs Volks- und fünf Religionsschüler die Schule. Für die wenigen zahlenden Gemeindemitglieder war die Anstellung des Lehrers somit zu teuer. Die wenigen Schüler wurden 1924 von christlichen Schulen übernommen.

Erinnerungsarbeit

Text/Bilder: Redaktion Frisia Judaica