Wilhelmshaven

Die jüdische Gemeinde Wilhelmshaven hat eine bewegte Geschichte, die eng mit dem preußischen Marinestützpunkt verbunden ist. Seit den 1870er Jahren bis zur Gründung einer eigenen Synagogengemeinde im Jahr 1901 wuchs die Gemeinde stetig. Doch während der NS-Diktatur wurde die jüdische Gemeinschaft nahezu vollständig ausgelöscht. Ein Mahnmal und jährliche Gedenkveranstaltungen erinnern heute an die Zerstörung der Synagoge und das tragische Ende während des Holocaust.

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Jüdisches Leben

Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Wilhelmshaven ist eng mit dem Bedeutungszuwachs des erst 1853 angelegten preußischen Marinestützpunkts verbunden. Bereits um 1870 zogen die ersten jüdischen Personen in die benachbarten und unabhängigen Gemeinden im Oldenburger Land und in das preußische Wilhelmshaven. Da es in Wilhelmshaven keine eigenständige Synagogengemeinde gab, wurde auf Anordnung der Landdrostei Aurich am 13. Januar 1876 ein offizieller Vertrag zwischen der „Wilhelmshavener Gruppe“ und der jüdischen Gemeinde Neustadtgödens abgeschlossen.

Der rasante Anstieg jüdischer Bewohner in der Stadt und die recht weit entfernte Gemeinde Neustadtgödens führte dazu, dass man sich stattdessen der „Freien Religiösen Vereinigung Bant“ anschloss, aus der in den 1880er Jahren die „Israelitische Vereinigung Wilhelmshaven“ hervorging, mit der Absicht, eine eigene Synagogengemeinde zu etablieren. 1899 trat man daher geschlossen aus der Gemeinde Neustadtgödens aus und gründete offiziell am 01. April 1901 eine selbstständige „Synagogen- und Religionsschulengemeinde“.

Die Synagoge in Wilhelmshaven. Bild: WZ-Bilddienst_91460_Synagoge 1929, StA WHV

In Bant etablierte sich 1905 ebenfalls eine eigenständige jüdische Gemeinde, die 1908 mit der Wilhelmshavener Gemeinde zur „Israelitischen Gemeinde Wilhelmshaven-Bant“ fusionierte. Nach dem Zusammenschluss der Oldenburgischen Gemeinden Bant, Heppens und Neuende zur Stadt Rüstringen im Jahr 1911 nannte sich die Gemeinde „Synagogengemeinde Wilhelmshaven- Rüstringen“. Da die Synagogengemeinde Rüstringen jedoch zu dem Landesrabbinat Oldenburg, die Wilhelmshavener Gemeinde dagegen zum Landesrabbinat Emden gehörten, hatten sie auch eigenständige Vorstände. Erst Anfang der 1930er Jahre wurde ein gemeinsamer Vorstand gewählt.

Die ungeheure Sogwirkung Wilhelmshavens und Rüstringens als wirtschaftliches Zentrum am Jadebusen zog auch viele junge jüdische Handelsfamilien aus der ostfriesischen Umgebung an. In den 1920er Jahren erreichten die beiden Städte an der Jade mit ca. 240 jüdischen Personen ihren Höchststand. Anfang der 1930er Jahre gab es ca. 50 Geschäfte von Gewerbetreibenden vorwiegend in den Einkaufsstraßen Gökerstraße/Bismarckplatz und Marktstraße/Wilhelmshavener Straße.

Noch 1933 lebten 191 jüdische Personen in der Stadt, die sich allerdings bis zum Novemberpogrom um 100 Personen reduzierte. Während der Ausschreitungen 1938 kam es zu enormen Zerstörungen von jüdischen Hab und Gut. Vier Geschäfte wurden verwüstet und zerstört. Jüdische Einwohner und Einwohnerinnen zum Teil öffentlich gedemütigt. 34 Männer wurden zunächst in der Jahn-Halle (heute Küstenmuseum) interniert und dann über Oldenburg in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo sie wochenlang festgehalten wurden. Bis Mai 1939 konnten weitere 45 Jüdinnen und Juden der Stadt emigrieren. Die noch Verbliebenen wurden in den folgenden Jahren deportiert und ermordet.

Die Synagoge von Wilhelmshaven

Zu Beginn hielten die noch wenigen jüdischen Personen Wilhelmshavens und Rüstringens ihre Gottesdienste in Privaträumen und in eigens für diesen Zweck gemieteten Sälen von Gaststätten ab. Etwas später richteten die Wilhelmshavener Juden ihr Betlokal in Räumen des Hotels „Berliner Hof“ ein. Da die Doppelgemeinde stetig wuchs, erwarb der Vorstand 1913 ein Grundstück in zentraler Lage an der Ecke Börsen-/Parkstraße und begann mit den Bauarbeiten.

Trotz des Ausbruches des Ersten Weltkrieges konnte die Synagoge am 22. September 1915 durch den Oldenburger Landesrabbiner David Mannheimer eingeweiht werden. Der fast quadratische Bau verfügte über ein gewaltiges Kuppeldach und war mit seinen ca. 400 Plätzen etwas überdimensioniert. Zur Einweihung kamen neben den jüdischen Repräsentanten auch Personen der Militär- und Zivilbehörden, sowie zahlreiche Ehrengäste aller Konfessionen.

Auszug aus dem Bauplan der Synagoge von 1914. Bild: s. 4630_Nr. 91, StA WHV

Während der Reichspogromnacht am 10. November 1938 wurde die Synagoge auf Befehl des SA-Standartenführers Johannes Hinz, des NSDAP-Kreisleiter Ernst Meyer und des Führers des örtlichen Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK), Gunkel, angezündet. Die herbeigerufene Feuerwehr war lediglich zur Sicherung der umliegenden Gebäude anwesend, bekämpfte das Feuer in der Synagoge jedoch nicht.

Offenbar brannte das Gebäude nicht sofort ab, sodass ein weiterer Brand am 11. November gelegt wurde, der dann das Gebäude vollends zerstörte. Erst im Frühjahr 1939 wurden die Reste der Synagoge abgetragen.

Der Brand der Wilhelmshavener Synagoge am 11. November. Bild:Ausschnitt aus StA WHV_5540

Die Fläche diente nach 1945 als Parkplatz. Seit 1980 befindet sich an dem ehemaligen Standort der Synagoge auf Initiative der evangelischen Kirchengemeinde und engagierter Bürgerinnen und Bürger ein Mahnmal, dass auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde der Stadt hinweist und an die jüdischen Opfer der NS-Diktatur erinnert.

Jüdische Friedhöfe

Der Grabstein von Marianne Wohl (gest. 1907) auf dem jüdischen Friedhof Neustadtgödens, die
zur Synagogengemeinde Wilhelmshaven gehörte. Bild: © Martin J. Schmid, Oldenburg, Aufnahme
vom 2.8.2011.

Durch die besondere Eigenschaft einer Doppelgemeinde, unterteilt in zwei unterschiedliche Landesrabbinate, wurden die Toten der Preußischen Wilhelmshavener und der Oldenburgischen Rüstringer Juden auf unterschiedlichen Friedhöfen bestattet.

Mit der Anbindung der Wilhelmshavener Juden an die jüdische Gemeinde Neustadtgödens wurden deren Toten zunächst auf dem Friedhof bestattet.

Die Juden im Gebiet von Rüstringen mussten zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Jever bestattet werden.

Schon 1899 bestand der Plan, einen separaten Zugang zum städtischen Friedhof für die Jüdische Gemeinde Wilhelmshaven zu errichten, was aber wegen des schnellen Wachstums der Stadt und dem Bedarf an einem neuen Friedhof scheiterte.

Nachdem beide Gemeinden 1908 zur „Israelitischen Gemeinde Wilhelmshaven-Bant“ fusionierten, nutzten sei ein 1905 erworbenes, ca. 17 ar großes Grundstück in Schortens-Heidmühle an der Menkestraße. Später wurde das Areal auf ca. 54 ar erweitert. Dieser Friedhof wurde bis 1937 gemeinsam belegt. Während der NS-Zeit wurde der Friedhof teilweise zerstört. Auch nach 1945 fanden hier noch vereinzelt Begräbnisse statt.

Von den 45 Grabsteinen ist der älteste von 1908. Nach 1945 fanden wieder vereinzelt Beisetzungen statt.

Mikwe (jüdisches Ritualbad)

Über die Mikwe in Wilhelmshaven ist nicht viel bekannt. Sie wurde beim Bau der Synagoge 1913 in das Gebäude integriert. In der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ in der Ausgabe vom 22. September 1915 heißt es:

„…Der Bau, welcher 130.000 M. kostet, ist ein Prachtwerk, und besonders ist die Einrichtung des rituellen Tauchbades geradezu hervorragend.“

Erinnerungsarbeit

Jedes Jahr am 09. November findet eine offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt Wilhelmshaven statt, die vom Kulturbüro organisiert wird. 2024 hat sich an der Cäcilienschule eine Initiative zur Verlegung von Stolpersteinen gegründet.

Die Erinnerungsstelen auf dem Synagogenplatz. Bild: StA WHV_5621d

Text: Redaktion Frisia Judaica