Die jüdische Präsenz in Emden reicht bis ins Jahr 1520 zurück. Durch die wachsende Bedeutung des Emder Hafens ab den 1550er Jahren zog es vermehrt Juden in die Stadt, die sich vor allem im Handel und Geldverleih engagierten. Im 18. Jahrhundert wurde eine Synagoge erbaut und ein jüdischer Friedhof in Tholenswehr angelegt, der bis heute existiert. Die jüdische Gemeinde zählte im 18. Jahrhundert 93 Familien und hatte einen bedeutenden Einfluss auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt.
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Jüdisches Leben
Seit 1520 sind in Emden jüdische Einwohner fassbar. Mit dem Aufblühen des Emder Hafens infolge der Einwanderung zahlreicher wohlhabender niederländischer Glaubensflüchtlinge seit den 1550er Jahren siedelten sich Juden in Emden vermehrt an. Sie beschäftigten sich mit Handel, Geldverleih und mit der Maklerei. Am Ende des 16. Jahrhunderts führten jüdische Kaufleute auch ein Verlagssystem ein, das Gerberei und Lederproduktion sowie die Textilherstellung umfasste. Mit dieser Aktivität machten sie den christlichen Handwerkszünften Konkurrenz. Diese forderten nach der Emder Revolution von 1595 die Bildung eines Gettos für geduldete Israeliten. Die Handwerker und Handelstreibenden forderten die Einschränkung der Gewerbemöglichkeiten der jüdischen Minderheit und eine spezielle Kleidung. In einer Supplikation an den ostfriesischen Grafen Edzard II. vom 20. Februar 1589 konkretisierten sie ihre Forderungen: …, „dass sie in einer Gasse entweder außerhalb oder innerhalb der Stadt hinter einer Ecke wohnen müssen. Diese soll darüber hinaus nachts mit einer Pforte oder einem besonderen Tor verschlossen sein.“
Die ersten jüdischen Familien in Emden siedelten sich im Stadtteil Faldern außerhalb der Emder Altstadt an. Hier übten sie ihre Religion in einem Gebetsraum aus. Im 18. Jahrhundert ist eine Synagoge in Emden belegt. Der erste jüdische Friedhof entstand in Tholenswehr. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde er an seiner heutigen Stätte neu angelegt. Die ältesten Gräber sind die der „Portugieser-Juden“, die sich ab Ende der 1770er Jahre kurzzeitig in Emden niederließen.
1836 wurde die baufällige Synagoge an der Bollwerkstraße durch einen Neubau ersetzt. Dieser erhielt durch den am 10. Juni 1910 feierlich eingeweihten Erweiterungsbau seine endgültige Form. Bei den Feierlichkeiten zur Eröffnung der Synagoge waren sowohl Magistrats- und Ratsvertreter der Stadt Emden, als auch Repräsentanten der christlichen Kirchen der Hafenstadt anwesend. Die jüdische Gemeinde in Emden umfasste im 18. Jahrhundert 93 Familien. Bis 1828 stieg ihre Anzahl auf 128 an. Die Bevölkerungsstatistik wies vor dem Ersten Weltkrieg 950 jüdische Bewohner nach. Während der Weimarer Republik sank ihre Zahl auf 900 Personen (1933).
Die jüdische Minderheit in Emden lebte unter einem Sonderrecht. In den 1840er Jahren leitete die Hannoversche Regierung die Emanzipation der Juden ein. 1848 konnten sie in Emden das Bürgerrecht erwerben.
Mit dem Beginn der NS-Diktatur 1933 setzte die aggressive Verfolgung der jüdischen Minderheit in Emden ein. Die Nürnberger Rassegesetze von 1935 schlossen die Juden aus der deutschen Staatsbürgerschaft aus. Jüdische Gewerbebetriebe wurden enteignet und es setzte eine Auswanderungswelle ein. Während der Reichspogromnacht am 9/10. November 1938 wurde die Synagoge durch Brandstiftung zerstört und Wohnungen mit Geschäften der jüdischen Einwohner durch einen Mob von SA-Leuten verwüstet. Die Männer der jüdischen Gemeinde deportierte die SS am 11. November ins KZ Sachsenhausen. Frauen und Kinder durften in ihre verwüsteten Wohnungen zurückkehren. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges lebten noch 400 jüdische Menschen in Emden. Von Februar bis April 1940 wurden 300 Personen in Städte im Inneren des Reiches ausgewiesen. Am 23. Oktober 1941 erfolgte die Deportation der letzten Juden aus Emden, Aurich und Norden aus dem Israelitischen Altersheim an der Claas-Tholen-Straße nach dem Getto in Lodz (Litzmannstadt). Ein Drittel von ihnen verstarb im Winter 1941/42 an den Entbehrungen im Getto. Die Überlebenden wurden vom Mai bis September 1942 im Vernichtungslager Chełmno (Kulmhof) ermordet.
1945 kehrten weniger als zehn jüdische Familien nach Emden zurück. Die 1940 aufgelöste jüdische Gemeinde Emdens konnte nicht wiedererrichtet werden.
Erinnerungsarbeit
Parallel zur Entwicklung in der Bundesrepublik begann in Emden in den 1970er Jahren eine verstärkte Aufarbeitung der NS-Diktatur und das Gedenken an ihre Opfer. Zum 40. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9.11.1978 wurden zwei bronzene Gedenktafeln am Eingang zum jüdischen Friedhof in Emden angebracht. In den 1980er Jahren beschäftigten sich Marie Werth und das Ehepaar Marianne und Reinhard Claudi mit dem Schicksal der Juden in Emden. Im Mai 1982 organisierten sie den ersten Besuch von Überlebenden des Holocausts in ihre ehemalige Heimatstadt Emden. In der Folgezeit reiste das Ehepaar Claudi nach Israel und interviewte dort lebende ehemalige Emder Juden. Ihnen folgten Gesine Janssen und Prof. Siegfried Sommer, die das Buch von den Claudis durch eine Video-Dokumentation ergänzten.
Am 25. August 1982 wurde an der Stätte der ehemaligen Emder Synagoge ein Gedenkstein enthüllt. Acht Jahre später, am 28. August 1990 erfolgte die Einweihung der Gedenkstelen für die Emder Opfer des Holocaust auf dem jüdischen Friedhof. Seit November 1987 organisierte der Arbeitskreis „Juden in Emden“ e.V. die Gedenkarbeit um die ehemalige jüdische Gemeinde. 2012 wurde aus dem Arbeitskreis die „Max-Windmüller-Gesellschaft“.
Im August 2012 erfolgte die Anbringung einer Gedenktafel für die Deportierten aus Emden und Ostfriesland an der Mauer des jüdischen Friedhofs in Łódź. Zum 75. Gedenktag der Deportation fand die Niederlegung eines Gedenksteins an der Claas-Tholen-Straße statt.
Am 7. März 2012 war die erste Sitzung des Arbeitskreises Stolpersteine in Emden. Die erste Verlegung erfolgte am 15.10.2012. Bis 2023 wurden mehr als 300 Stolpersteine verlegt.
Die Emder Schulen sind in der Gedenkkultur eng eingebunden. Sie beteiligen sich an den Gedenkveranstaltungen und im Rahmen des Łódźprojektes hat die gymnasiale Oberstufe der BBS II mit Partnerschulen aus Łódź das Schicksal der Deportierten erforscht.
Text/Bilder: Dr. Rolf Uphoff