Die jüdische Gemeinde Dornum entwickelte sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648. Zu dieser Zeit erhielten jüdische Händler und Geldverleiher erstmals das Recht, sich dort niederzulassen. Nach der Weihnachtsflut von 1717 wurden sie aktiv in den Ort geholt. Die Gemeinde wuchs im Laufe der Zeit und verfügte eine Synagoge und eine eigene Schule. Während des Holocaust ermordeten die Nationalsozialisten viele ihrer Mitglieder und zerstörten ihre Institutionen. Erhalten blieb die Synagoge. Der 1989 gegründete Verein „Synagoge Dornum“ e.V. setzte sich zum Ziel, das Gebäude in seinen alten Zustand zurückzuführen, denn Jahrzehnte lang diente es als Möbellager und Geschäftshaus und war durch Umbauten stark verändert worden. Nach Abschluss der Restaurationsarbeiten ist sie seit 1992 Gedenkstätte.
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Jüdisches Leben
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 war die Wirtschaftlichkeit vieler Orte in Ostfriesland zerstört. Zu dieser Zeit bekamen die ersten jüdischen Produktenhändler und Geldverleiher das Recht, sich in Dornum niederzulassen. Nach der großen Weihnachtsflut 1717 wurden jüdische Händler in den Ort geholt und das Einfamilienwohnrecht, das zuvor bestanden hatte, aufgehoben.
Im Jahre 1730 wird bereits eine Synagoge erwähnt. 1754 lebten sechs jüdische Familien in Dornum, 1828 etwa 10 Familien und um 1900 16 Familien, ca. 86 Personen.
Aus diesen jüdischen Familien war im Laufe des 19. Jahrhunderts eine aktive Gemeinde entstanden, die nach der jüdischen Gesetzmäßigkeit lebte. Damit war es notwendig geworden, eine Gemeindestruktur anzulegen. So wurde im Jahre 1841 eine neue Synagoge errichtet und eine Mikwe gebaut. Um 1717 nach der Weihnachtsflut war bereits ein Grundstück für die Toten gepachtet worden, das 1723 von Hester Samuels dem Herrlichkeitsbesitzer abgekauft wurde. Außerdem gab es einen Koscher-Schächter, einen Vorsänger und einen Schullehrer.
Von den 17 jüdischen Familien, die 1914 in Dornum ansässig waren, wurden 17 Männer zum Heeres- und Marinedienst eingezogen. Von ihnen fielen fünf. Ihre Namen stehen auf der Gefallenentafel in der Synagoge. Diese Gefallenentafel ist eine Zweitanfertigung aus dem Jahr 1991, da das Original in der Pogromnacht 1938 auf dem Marktplatz verbrannt wurde.
Die Synagoge in Dornum
Im Jahre 1841 wurde die Synagoge in Dornum neu gebaut.
Die erste Synagoge stand auf demselben Platz, auf dem der Neubau errichtet wurde. In einer Ehrenerklärung von Anfang 1841 erklärten zwei Kaufleute lutherischen Glaubens aus Dornum, dass die Judenschaft schon immer eine Synagoge an diesem Platz ihr Eigen nannte und sie auch ständig gebrauchte. Diese Ehrenerklärung musste abgegeben werden, weil ein Bau zusätzlicher Synagogen nicht gestattet war.
Anfang 1841 wurde mit dem Neubau begonnen und zum Ende des Jahres 1841 war die Synagoge fertiggestellt.
Um 1860 wurde die Synagoge renoviert. 1895/96 wurden Sitzbänke eingebaut, und 1920 bekam die Synagoge elektrisches Licht.
Nach dem Verkauf der Synagoge wurde sie genutzt als Möbellager und Geschäftshaus. Es sollten noch mehr als vierzig Jahre vergehen, bis im Jahre 1991 im Rahmen der Dorferneuerung mit der Restaurierung begonnen wurde.
Am 15.12.1991, ihrem 150. Jahrestag, wurde die Synagoge in einer festlichen Veranstaltung ihrer neuen Bestimmung als Gedenkstätte übergeben.
Der 9. November 1938
Die Synagoge in Dornum ist seit der Gebietsreform von 1972 die einzige erhaltene Synagoge in Ostfriesland. Sie wurde zwei Tage vor der Pogromnacht vom 9. November 1938 an den im Nachbarhaus wohnenden Tischlermeister für 600 RM verkauft, der das Gebäude als Möbellager nutzen wollte.
Die Synagoge entging der Brandschatzung durch die Nationalsozialisten nur aufgrund der engen dörflichen Bebauung, jedoch wurden die Fensterscheiben eingeschlagen und das gesamte Inventar auf dem Marktplatz verbrannt.
Der jüdische Friedhof
Der jüdische Friedhof liegt nur 100 Meter von der Synagoge entfernt. Haro von Closter, Besitzer der Herrlichkeit Dornum, wies der jüdischen Gemeinde von Dornum im Jahre 1717 nach der Weihnachtsflut die etwas außerhalb des Ortes gelegene Lübbe- Lübben-Warft als Begräbnisplatz zu. Zunächst wurde der Platz von der Judenschaft gepachtet. Das älteste Grab ist das des 1721 verstorbenen Aaron Levi, dessen Witwe 1723 den jüdischen Friedhof durch einen Erbkaufkontrakt erwarb. Ihr Sohn, der Geldverleiher Samuel Aarons, verkaufte 1775 den Friedhof an die Dornumer Judenschaft zu besonderen Bedingungen.
Am 9.11.1938, am Tag des Pogroms, wurde Adolf Abrahams als letzter in aller Stille bestattet. Den nichtjüdischen Bewohnern war es untersagt, am letzten Geleit teilzunehmen.
1943 verkauften die Nationalsozialisten den Friedhof an einen Nachbarn. Die Steine wurden von den Gräbern entfernt und an der Marktstraße aufgestellt. Die Kriegswirren und die Scheu, einen Friedhof als Garten zu nutzen, verhinderten eine völlige Zerstörung des Friedhofes.
Auf Anordnung der Militärbehörde (Kanadier) wurden die verbliebenen Steine auf das Gräberfeld zurückgebracht und auf den Fundamenten aufgebaut -allerdings konnten nicht alle Steine den jeweiligen Gräbern zugeordnet werden. Etwa 150 Grabsteine blieben verloren.
Die jüdische Schule
1905 lebten in Dornum 85 Juden, das waren ca. 9% der Bevölkerung. 1904 wurden 20 Kinder in die neu erbaute jüdische Volksschule, in der sich auch eine Mikwe (Ritualbad) befand, eingeschult. Um 1919 betrug die Zahl der Schülerinnen und Schüler 28. Nach dem Ersten Weltkrieg sank die Zahl der Schüler bis auf 6 ab, so dass die Schule 1922 geschlossen und der Lehrer Simon Lotheim an die jüdische Schule nach Aurich versetzt wurde. 1933 verkauften die noch wenigen verbliebenen Gemeindemitglieder die jüdische Schule für 4500 RM an den Bahnhofsvorsteher Jamin in Dornum.
Erinnerungsarbeit / Der Verein „Synagoge Dornum“ e.V.
Der 1989 gegründete Verein „Synagoge Dornum“ e.V. setzte sich zum Ziel, das Gebäude in seinen alten Zustand zurückzuführen, denn Jahrzehnte lang diente es als Möbellager und Geschäftshaus und war durch Umbauten stark verändert worden.
1991 wurde die Synagoge mit Mitteln des Amtes für Agrarstruktur, der Denkmalspflege, des Landkreises Aurich, der Sparkassenstiftung sowie eines Anteils der Gemeinde Dornum restauriert.
Seit 1992 ist sie Gedenkstätte.
Der Verein „Synagoge Dornum“ e.V. ist Träger der Gedenkstätte und verantwortlich für die Ausstellungen.
Einige Veranstaltungen im Laufe der Jahre:
1992 fanden „Tage der Begegnung“ in Dornum statt. Vier ehemalige jüdische Dornumer besuchten den Ort: Ilse Rose und Sohn Ernst (USA), Aviva Kleinman (Israel) und ihr Sohn Ofer, Ruth Waechter (Schweden).
In den folgenden Jahren kamen immer wieder ehemalige jüdische Bürger zu Besuch. Eine besonders enge Freundschaft entstand mit Dan Cohen (Israel, geb. 1931 in Dornum), der bis zu seinem Tod 2015 fast jedes Jahr einmal nach Dornum kam.
Einige Ausstellungen in der Synagoge:
Mai 2002: Buchstaben des Lebens – Werke der jüdischen Malerin Judith Pins und des jüdischen Malers Ber Warzager
März 2006: Taufe oder Tod? Die Verfolgung der spanisch-portugiesischen Juden – Marranen und ihre Einwanderung nach Ostfriesland um 1600
April 2008: Wer war Ari Cohen? Die Geschichte der Familien Friedheim und Cohen
Juli 2010: Die Weinthals – Das Schicksal einer jüdisch-ostfriesischen Familie
März 2013: Die Dornumer Synagoge brannte nicht
Am 20.12.2011 wurde auf dem Dornumer Marktplatz ein Davidstern als Mahnmal in den Boden eingelassen, an der Stelle, an der am 9. November 1938 die Kultgegenstände verbrannt worden waren.
Weblinks
- www.synagoge-dornum.de (Homepage)
- https://pogrome 1938-niedersachsen.de/dornum/.
- Unter Facebook: Gedenkstätte Synagoge Dornum e.V.
Literatur
- Georg Murra-Regner u. Andrea Döhrer: Der jüdische Friedhof zu Dornum (2008)
- Georg Murra-Regner u. Andrea Döhrer: Die Weinthals – Das Schicksal einer jüdisch-ostfriesischen Familie (2010)
- Georg Murra-Regner u. Andrea Döhrer: Ostfriesland war auch unsere Heimat –
- 200 Jahre jüdisches Leben hinterm Deich (2012)
- Georg Murra-Regner u. Andrea Döhrer: Die Dornumer Synagoge brannte nicht
- (2015)
- Margitta Regner: Chronik der Gedenkstätte „Synagoge Dornum“ (2017)
- Georg Murra-Regner: Manentes – Die Bleibenden (2022)
- Georg Murra-Regner: Wir lebten in Ostfriesland – Wir sind die Cohens (2023)
Text/Bilder: Georg Murra-Regner