Bunde

Die jüdische Gemeinde in Bunde – eine Geschichte von über drei Jahrhunderten. Seit ihren Anfängen im Jahr 1670 bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1940 hat sie das kulturelle und historische Erbe des Ortes maßgeblich geprägt. Ihr Einfluss reicht weit zurück und bleibt bis heute spürbar. An das einst reiche Gemeindeleben erinnern die in Teilen erhalten gebliebene Synagoge, das Haus, in dem sich einst Lehrerwohnung, das Klassenzimmer und die Mikwe befanden, der Friedhof sowie ein Mahnmal.

Karte

Jüdisches Leben

Die früheste Erwähnung eines in Bunde ansässigen Juden ist auf das Jahr 1670 datiert. In einem an die Gräfin Christine Charlotte gerichteten Antrag jüdischer Familien aus dem Rheiderland, dort einen jüdischen Friedhof anlegen zu dürfen, findet sich für Bunde die Unterschrift von Simon Isaacs. Diese Familie blieb über lange Zeit die einzige jüdische in Bunde; bei den im 18. Jahrhundert dort nachweisbaren ein bzw. zwei jüdischen Familien handelte es sich um Nachfahren von Simon Isaacs.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts stieg die Anzahl der jüdischen Einwohner zunächst langsam auf 28 im Jahre 1867, verdoppelte sich dann fast auf 55 im Jahre 1885. Die Juden in Bunde waren häufig Schlachter und Trödler, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt auch als Kaufleute tätig. Die meisten Familien der Synagogengemeinde verfügten über ein nur geringes Einkommen. Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs die jüdische Gemeinde weiterhin und erreichte im Jahre 1925 mit 70 ihre höchste Mitgliederzahl, das waren etwa 3,5% der Einwohner des Ortes. 

Am Ersten Weltkrieg nahmen mehrere Bunder Juden als Soldaten teil; zwei von ihnen – Georg und Adolf Gerson – kamen mit Auszeichnungen aus dem Krieg zurück. Auch in der Weimarer Republik war die wirtschaftliche Situation einzelner jüdischer Familien ausgesprochen schlecht, was u.a. an anberaumten und zumeist abgewendeten Zwangsversteigerungsterminen deutlich wird. Auch die Synagogengemeinde hatte finanzielle Probleme, was dazu führte, dass sie 1930 vorübergehend kein Geld zur Bezahlung eines Lehrers hatte. Diese finanziellen Probleme der Synagogengemeinde und etlicher ihrer Mitglieder nahmen noch zu, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren.

Im Januar 1933 hatte Bunde 48 jüdische Einwohnerinnen und Einwohner; 19 von ihnen waren jünger als 40 Jahre. Allein 1933 verließen 17 Jüdinnen und Juden ihren Heimatort, bis Anfang November 1938 waren es 35. Im Zusammenhang mit der Reichspogromnacht verhaftete die Bunder SA unter Leitung von Sturmbannführer Annäus Winzenborg am Morgen des 10. November 1938 die drei verblieben jüdischen Familien. Die Verhafteten konnten bis auf Abraham und Ernst Ries im Laufe des Tages wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. Vater und Sohn wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen transportiert. Anfang Dezember bzw. kurz vor Weihnachten 1938 konnten sie nach Bunde zurückkehren.

Diese Vorgänge veranlassten weitere jüdische Familien zum Wegzug, so dass im September 1939 nur noch eine vierköpfige jüdische Familie in Bunde wohnte. Sie musste am 21. März 1940 im Zusammenhang mit dem Evakuierungsbefehl für die ostfriesischen Juden den Ort verlassen.

Das Mahnmal für die im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden aus Bunde verzeichnet die Namen von 77 Opfern, die in Bunde geboren wurden, hier über einen längeren Zeitpunkt ihren Lebensmittelpunkt hatten oder nach 1933 aus Bunde verließen bzw. verlassen mussten.   

Synagoge

Bunde auf einer Postkarte um 1900. Vorne links ist die Vorderfront der ehemaligen Synagoge zu sehen.

Die Synagoge wurde in der zweiten Hälfte der 1840-er Jahre an der Kreuzstraße (heute Kirchring) errichtet. Weil der Bau aus finanziellen Gründen recht einfach gehalten war, mussten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts des Öfteren Reparaturen ausgeführt werden. Im Juli 1938 wurde die Synagoge aufgrund des starken Mitgliederrückgangs an den Kaufmann Barfs verkauft. Aus diesem Grunde entging die Synagoge in der Reichspogromnacht den Brandschatzungen der Nationalsozialisten. Die Synagoge steht bis heute, ist allerdings als solche durch mehrere Umbaumaßnahmen nicht mehr zu erkennen. Nach dem Krieg diente es zunächst Wohn-, später gewerblichen Zwecken. Von 2015 bis 2021 hatte das Jugendbüro der Gemeinde Bunde seinen Sitz in dem Gebäude, seitdem wird es als Wohnraum genutzt.

Friedhof

Blick auf den jüdischen Friedhof

Zunächst bestatteten die jüdischen Familien in Bunde ihre Verstorbenen auf dem 1670 eingerichteten Friedhof in Smarlingen, der in der zweiten Hälfte des 18. Jh. durch einen weiteren Friedhof in unmittelbarer Nähe ergänzt wurde. Nachdem auch dieser Friedhof 1848 belegt war, konnten die Verstorbenen der Synagogengemeinde Bunde für etwa ein Vierteljahrhundert auf dem Friedhof der jüdischen Gemeinde im niederländischen Nieuweschans bestattet werden. Als sie die weitere Mitbenutzung ihres Friedhofs 1873 verweigerte, erwarb die Synagogengemeinde Bunde ein Areal außerhalb des Ortes und erhielt nach einem langwierigen Verfahren die Erlaubnis, einen Friedhof einzurichten. Die schwache Finanzkraft der Gemeinde führte dazu, dass die Hälfte der Gesamtkosten von 250 Reichstalern aus staatlichen Mitteln finanziert wurde. Die erste Bestattung auf dem neuen Friedhof fand im Jahre 1881 statt, die letzte jüdische im Jahre 1932. Außerdem wurde im Jahre 1944 ein verstorbener russischer Kriegsgefangener auf dem jüdischen Friedhof bestattet.  

Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde der Friedhof stark beschädigt. Die massive Einfriedung zur Straße wurde zerstört, zahlreiche Grabsteine umgestoßen und teilweise zerstört, eiserne Grabeinfriedungen gestohlen. Nach dem Krieg wurde der Friedhof 1947-48 wieder instandgesetzt. Im Jahre 1952 übernahm zunächst die Jewish Trust Corporation den jüdischen Friedhof und übergab ihn 1960 an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. In den Jahren 1956, 1970 und 1979 erfolgten erneute Instandsetzungen. Die politische Gemeinde Bunde pflegt den Friedhof, auf dem etwa 30 Gräber erhalten sind. 2011 wurde die Mauer zur Straße hin erneuert. Im Jahre 2021 wurde der Friedhof geschändet.     

Schule

Rechts die ehemalige Synagoge, links das Haus, das Haus, in dem die Lehrerwohnung, das Klassenzimmer und die Mikwe untergebracht waren

Die jüdische Gemeinde stellte 1846 den ersten Lehrer an und bildete 1854 einen eigenen Schulverband mit einer jüdischen Elementarschule. Geringe Schülerzahlen führten dazu, dass die Stelle Ende der 1850-er und Mitte der 1860-er Jahre unbesetzt blieb. Die dann wieder eingerichtete Schule war eine Religionsschule (die einzige in Ostfriesland), deren Lehrerstelle jedoch ausgesprochen unattraktiv war. Zwar hatte der Lehrer auch das Amt des Vorbeters inne (in späteren Jahren auch das des Schächters), dennoch konnte die Bunder Gemeinde nur ein geringes Gehalt zahlen. Das führte zusammen mit der Tatsache, dass die Lehrerstelle an einer Religionsschule mit keinerlei Pensionsanspruch verbunden war, häufig dazu, dass die Lehrer  Bunde zumeist recht rasch verließen, sobald sich ihnen eine besser dotierte Stelle an einer jüdischen Volksschule bot. Dieser häufige Wechsel zwischen kurzzeitiger Tätigkeit eines Lehrers und einer mehr oder weniger langen Vakanz stellte eine erhebliche Belastung für das Gemeindeleben dar. Erschwert wurde die Suche nach geeigneten Lehrern durch die Bestimmung, dass nur inländische Lehrer eingestellt werden durften; eine Vorschrift, auf deren Einhaltung die Behörden für Bunde – widerwillig – fast immer verzichteten, jedoch nicht, ohne die Fortsetzung der Suche nach geeigneten inländischen Bewerbern anzumahnen. Im Jahre 1884 errichtete die jüdische Gemeinde ein Gebäude mit einer Wohnung für den Lehrer, einem Unterrichtsraum sowie der Mikwe. Zwischen 1882 und 1905 verrichteten elf jüdische Lehrer ihren Dienst in Bunde. Der 1907 eingestellte Jakob Jankelowitz, russischer Staatsbürger, blieb fast 16 Jahre im Amt und war aufgrund seines sehr geringen Einkommens zeitweilig der einzige jüdische Lehrer Ostfrieslands, der aus staatlichen Mitteln Zuschüsse erhielt. Nach der Erblindung Jankelowitz‘ übernahm sein Sohn Leo 1923 die Stelle. Als er Bunde im Oktober 1928 verließ, bemühte man sich zunächst nicht um einen neuen Lehrer, zum einen wegen der nur geringen Anzahl von Schülern, zum anderen wegen finanzieller Probleme der Synagogengemeinde. Im Oktober 1930 trat Manfred Schenkolewksy seinen Dienst in Bunde an; nach seinem Fortzug nach Groningen im Jahre 1933 fand kein Unterricht mehr statt.

Vereine

Im Jahre 1896 bestanden eine Beerdigungsbrüderschaft (Chewra Kadischa) und ein Jünglingsverein (Chewra Bachurim). Im Jahre 1909 wird ein Frauenverein genannt, und 1920 auf die Gründung eines Literaturvereins hingewiesen. Ende der 1920-er Jahre werden vier Vereine genannt: der Frauenverein, der Bachurimverein, der Beerdigungsverein und der Wohltätigkeitsverein.

Erinnerungsarbeit

Die Erinnerungsarbeit wird weitgehend getragen vom Arbeitskreis „Erinnerung jüdische Bürgerinnen und Bürger Bunde“. Unterstützt von der politischen und den Kirchengemeinden, plante und konzipierte er von 2010 bis 2014 ein Mahnmal für die im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden in Bunde. An diesem Mahnmal findet alljährlich am 21. März, dem Datum des erzwungenen Wegzugs der letzten jüdischen Familie aus Bunde, eine Gedenkveranstaltung statt. Darüber hinaus erinnert der Arbeitskreis durch Vorträge, etwa in Kirchengemeinden und bei Kulturwochen, sowie im Rahmen der Mitarbeit bei ökumenischen Gedenkgottesdiensten an die Geschichte jüdischen Lebens in Bunde und im Rheiderland und das Schicksal der jüdischen Familien. 

Die Gemeinde Bunde und die örtlichen Kirchengemeinden unterstützen diese Arbeit durch ihre Mitwirkung an den Gedenkveranstaltungen sowie durch eigene Beiträge zumeist allgemeinerer Art, etwa durch die Organisation der Ausstellung „Abgestempelt“ im August/ September 2023.

Weblinks

Text/Bilder: Die Namen der Urheber sind der Redaktion bekannt.