Zwischen Synagoge, Solidarität und Selbstbehauptung –jüdische Vereinigungen und Vereine in Ostfriesland

Von: Matthias Süßen

In den jüdischen Gemeinden Ostfrieslands spielte das Vereinswesen eine zentrale Rolle im religiösen, sozialen und kulturellen Alltag. In einer Region, die durch kleinstädtische Strukturen, dörfliche Gemeinschaften und weite ländliche Räume geprägt war, wurden diese Vereine zu wichtigen Stützen des Gemeindelebens. Sie förderten den Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Bevölkerung, ermöglichten Bildungsangebote, unterstützten Bedürftige und vermittelten religiöse Inhalte. Besonders in Städten wie Emden, Leer, Aurich oder Norden, aber auch in kleineren Orten wie Bunde, Dornum oder Weener entstand seit dem 19. Jahrhundert ein breites Vereinsleben, das das jüdische Leben vor Ort maßgeblich prägte – bis die nationalsozialistische Verfolgung in den 1930er-Jahren das Vereinsleben zerstörte. Neben der Mitgliedschaft von Jüdinnen und Juden in den christlich dominierten Vereinen ihrer Heimatorte bildeten die rein jüdischen Vereine eine weitere Säule ihres gesellschaftlichen Engegements.

Katrin Himmler über die Neue Rechte: Vortrag im vollbesetzten Landschaftsforum

Von: Matthias Süßen

Die Politikwissenschaftlerin und Autorin Katrin Himmler hielt am 22. Mai im bis auf den letzten Platz besetzten Landschaftsforum einen Vortrag über die Ideologie und Strategien der sogenannten Neuen Rechten. Und fand dabei parallelen in Ihrer eigenen Familiengeschichte. Als Großnichte von Heinrich Himmler, einem der Hauptverantwortlichen des Holocaust, setzt sie sich seit vielen Jahren kritisch mit der NS-Vergangenheit auseinander.

In ihrem Vortrag zeigte Himmler eindrücklich auf, wie sehr sich heutige rechtsextreme Bewegungen an Sprache, Symbolik und Struktur der Nationalsozialisten orientieren. Aus dem NS-Slogan „Deutschland erwache“ werde heute etwa „Europa erwache“. Dabei sprach sie auch über bewusst doppeldeutige Kleidungsstile und scheinbar unauffällige Erkennungszeichen als Mittel der Vernetzung der rechten Szene.

Besonderes Augenmerk legte sie auf die Strategien der Neuen Rechten, ihre Ideologie in die Gesellschaft zu tragen. Sei es durch gezielte Provokation, vermeintlich inhaltliche Debattenbeiträge oder die Instrumentalisierung sozialer Medien. Dabei machte Himmler deutlich, dass die Gefahr nicht nur von offen gewaltbereiten Gruppen ausgeht, sondern auch von jenen, die im bürgerlichen Gewand demokratiefeindliche Inhalte verbreiten.

In der anschließenden Diskussion ging es um Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Rechtsextremismus. Himmler betonte die Bedeutung persönlicher Beziehungen: Wer den Kontakt zu Freunden oder Familienmitgliedern abbricht, die sich radikalisieren, mache es ihnen umso schwerer, den Weg zurück zu finden. Es gelte, wachsam und informiert zu bleiben und zugleich im Gespräch zu bleiben. So schwer dies im Einzelfall auch sei.

Antijudaismus am Beispiel des historischen Ostfrieslands

Von: Kai Beitelmann

Was ist eigentlich Antijudaismus?

Die Untersuchung der Geschichte der Judenfeindschaft erfordert eine präzise Differenzierung der Begriffe Antijudaismus und Antisemitismus, um die historischen Phänomene adäquat erfassen zu können. Die Frühe Neuzeit ist primär durch Erscheinungsformen des Antijudaismus geprägt. Dieser wurzelte tief in religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Antagonismen und manifestierte sich in vielfältiger Weise. Der Begriff Antisemitismus, der eine modernere neuzeitliche Judenfeindschaft beschreibt, welche sich insbesondere seit dem späten 19. Jahrhundert formierte, kann für die Frühe Neuzeit nur mit äußerster Vorsicht und unter genauer Definition seiner spezifischen Bedeutung verwendet werden. Ältere Formen der Judenfeindschaft können jedoch als dessen Vorläufer und Nährboden betrachtet werden.

Hohe Auszeichnung für Wolfgang Kellner: Ubbo-Emmius-Medaille für herausragendes Engagement in der Erinnerungskultur

Wir freuen uns, dass ein Mitglied unseres Netzwerks eine besondere Anerkennung erhalten hat: Wolfgang Kellner wurde auf dem Oll‘ Mai 2025 für sein langjähriges und herausragendes Engagement in der Erinnerungskultur mit der Ubbo-Emmius-Medaille ausgezeichnet. Diese höchste Ehrung der Ostfriesischen Landschaft würdigt seinen unermüdlichen Einsatz für die historische Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die aktive Förderung des interkulturellen Dialogs in der Region.

Integration und Abgrenzung der jüdischen Gemeinde Neustadtgödens am Beispiel von Vereinen

Von: Stephan Horschitz

Die Entstehung des modernen Vereinswesens veränderte auch das jüdische Leben in Neustadtgödens nachhaltig. Mit dem wachsenden bürgerlichen Selbstbewusstsein, wirtschaftlichem Aufschwung und gesellschaftlicher Teilhabe fanden jüdische Bürger ihren Platz in Schützen-, Feuerwehr- und Kriegervereinen – oft in führender Position. Doch die Blütezeit dieser Teilhabe war begrenzt. Politische Umbrüche, wirtschaftliche Verwerfungen und zunehmender Antisemitismus ließen die jüdische Vereinskultur bis in die 1920er Jahre nahezu verschwinden. Der Beitrag zeigt, wie eng Vereinsgeschichte und Emanzipation miteinander verwoben waren – und welche Spuren jüdischen Engagements bis heute sichtbar bleiben.

Ausstellung „Jüdisches Leben in Norden“ geöffnet

Die Ausstellung „Jüdisches Leben in Norden“ des Ökumenischen Arbeitskreises Synagogenweg Norden e.V. sowie die Kleine Bibliothek in der Alten Jüdischen Schule (Synagogenweg 4) sind bis Ende August jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr geöffnet. Aktuell zeigt eine ergänzende Ausstellung die Geschichte des jüdischen Gemeindezentrums im Synagogenweg. Ein Besuch lohnt sich!

Jüdischer Glaube – jüdisches Leben: Das August-Gottschalk-Haus in Esens entdecken

Das ehemalige jüdische Gemeindehaus in Esens – heute bekannt als August-Gottschalk-Haus – öffnet am 21. Mai 2025 von 9:00 bis 15:30 Uhr seine Türen für eine besondere Fortbildung. Unter dem Titel „Jüdischer Glaube – jüdisches Leben“ laden die Arbeitsstelle Religionspädagogik Ostfriesland (ARO) und die Museumsleitung interessierte Lehrkräfte und Multiplikator:innen ein, sich intensiv mit jüdischer Geschichte und Gegenwart in Ostfriesland auseinanderzusetzen.

Nachlese: Exkursion zur Synagoge Groningen

Am 10. April 2025 fand eine Exkursion der Arbeitsgemeinschaft „Jüdisches Leben in Ostfriesland“ zur Synagoge Groningen statt. Diese Veranstaltung war das Ergebnis einer fruchtbaren Kooperation zwischen der Synagoge Groningen, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland und der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft. Rund zwanzig Teilnehmer aus Deutschland und den Niederlanden kamen zusammen, um die jüdische Geschichte und Kultur in Groningen zu erkunden und dabei ein Zeichen für grenzübergreifende Zusammenarbeit zu setzen.

Max-Windmüller-Gesellschaft mit neuem Vorstand – Gedenkveranstaltung am 5. Mai

Die Max-Windmüller-Gesellschaft hat einen neuen Vorstand gewählt. Nach 15 Jahren im Amt übergab Dr. Rolf Uphoff den Vorsitz an Kai Gembler. Gembler würdigte seinen Vorgänger für dessen langjähriges Engagement: „Rolf Uphoff hat in seiner fünfzehnjährigen Amtszeit maßgeblich dazu beigetragen, die Erinnerung an die Geschichte der Emder Juden im Gedächtnis der Stadt wachzuhalten.“ Uphoff habe nicht nur vielfältige Forschungsarbeiten zur jüdischen Geschichte Emdens geleistet, sondern sich auch in zahlreichen Projekten für eine lebendige Erinnerungskultur eingebracht.