Autonomes Handeln – politisch umkämpft. Warum waren religiös verfolgte Minderheiten so wichtig für die Herrlichkeiten?

Von: Stephan Horschitz

Die Ansiedlung und Besteuerung lediglich geduldeter Bevölkerungsgruppen in Neustadtgödens war für die Besitzenden der kleinen Herrlichkeit Gödens von elementarer Bedeutung. In dem kleinen Flecken lebten selbst in seiner Blütezeit um 1740 nur etwas mehr als 500 erwachsene Personen, die das Steueraufkommen des Ortes trugen.[1]  Für die gesamte Herrlichkeit dürften es kaum mehr als 800 Menschen gewesen sein. Ein Fortbestehen dieses winzigen Territoriums hing also davon ab, inwieweit die jeweiligen Verantwortlichen auf Schloss Gödens positive Anreize für potenziell Ansiedlungswillige schufen. Daneben musste aber auch sichergestellt werden, wie sich die Herrlichkeit politisch gegen ein ungleich größeres Ostfriesland behaupten konnte. Die Legitimation, ein eigenes Territorium zu verwalten und über dessen Bewohner zu herrschen, bezogen die auf Schloss Gödens regierenden Familien aus einem umstrittenen Recht, was ihnen in Fragen der Gerichtsbarkeit, des Eigenkirchenwesens und der Steuerhoheit eine Eigenverantwortlichkeit einräumte. Die Irritationen über die rechtlichen Zuständigkeiten zwischen der zentralen Regierung in Aurich und den Herrlichkeiten, waren mit der Erhebung des ostfriesischen Häuptlings Ulrich Cirksena in den Reichsgrafenstand im Jahre 1464 und der Belehnung Ostfrieslands als Reichsgrafschaft entstanden.

Gespräch mit dem Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg über seine Zeit in den USA

Schülerinnen und Schüler des Ulrichsgymnasiums Norden trafen am 26. Februar 2025 den Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg (geb. 1925 in Westrhauderfehn) und seine Mitbewohnerin Gerda Dänekas zu einem besonderen Zeitzeugengespräch in Leer. Im Mittelpunkt des Interviews stand Weinbergs Leben nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager und seine mehr als sechs Jahrzehnte in den Vereinigten Staaten.

Fortbildung zu Antisemitismus im digitalen Raum

Antisemitische Kommentare in Social Media oder sogar in Klassenchatgruppen sind für viele Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte eine tägliche Herausforderung. Im digitalen Raum gilt es genauso wie im Alltag, Haltung zu zeigen, Zivilcourage zu üben und Gegenrede zu leisten. Doch wie genau kann das gelingen? Antworten darauf bietet der 4. Fachtag „Antisemitismus im Netz und den sozialen Medien“ am 08. Oktober 2025 im Mariko in Leer (Bergmannstraße 36, Seminarraum 4. OG)

Zwischen Synagoge, Solidarität und Selbstbehauptung –jüdische Vereinigungen und Vereine in Ostfriesland

Von: Matthias Süßen

In den jüdischen Gemeinden Ostfrieslands spielte das Vereinswesen eine zentrale Rolle im religiösen, sozialen und kulturellen Alltag. In einer Region, die durch kleinstädtische Strukturen, dörfliche Gemeinschaften und weite ländliche Räume geprägt war, wurden diese Vereine zu wichtigen Stützen des Gemeindelebens. Sie förderten den Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Bevölkerung, ermöglichten Bildungsangebote, unterstützten Bedürftige und vermittelten religiöse Inhalte. Besonders in Städten wie Emden, Leer, Aurich oder Norden, aber auch in kleineren Orten wie Bunde, Dornum oder Weener entstand seit dem 19. Jahrhundert ein breites Vereinsleben, das das jüdische Leben vor Ort maßgeblich prägte – bis die nationalsozialistische Verfolgung in den 1930er-Jahren das Vereinsleben zerstörte. Neben der Mitgliedschaft von Jüdinnen und Juden in den christlich dominierten Vereinen ihrer Heimatorte bildeten die rein jüdischen Vereine eine weitere Säule ihres gesellschaftlichen Engegements.

Katrin Himmler über die Neue Rechte: Vortrag im vollbesetzten Landschaftsforum

Von: Matthias Süßen

Die Politikwissenschaftlerin und Autorin Katrin Himmler hielt am 22. Mai im bis auf den letzten Platz besetzten Landschaftsforum einen Vortrag über die Ideologie und Strategien der sogenannten Neuen Rechten. Und fand dabei parallelen in Ihrer eigenen Familiengeschichte. Als Großnichte von Heinrich Himmler, einem der Hauptverantwortlichen des Holocaust, setzt sie sich seit vielen Jahren kritisch mit der NS-Vergangenheit auseinander.

In ihrem Vortrag zeigte Himmler eindrücklich auf, wie sehr sich heutige rechtsextreme Bewegungen an Sprache, Symbolik und Struktur der Nationalsozialisten orientieren. Aus dem NS-Slogan „Deutschland erwache“ werde heute etwa „Europa erwache“. Dabei sprach sie auch über bewusst doppeldeutige Kleidungsstile und scheinbar unauffällige Erkennungszeichen als Mittel der Vernetzung der rechten Szene.

Besonderes Augenmerk legte sie auf die Strategien der Neuen Rechten, ihre Ideologie in die Gesellschaft zu tragen. Sei es durch gezielte Provokation, vermeintlich inhaltliche Debattenbeiträge oder die Instrumentalisierung sozialer Medien. Dabei machte Himmler deutlich, dass die Gefahr nicht nur von offen gewaltbereiten Gruppen ausgeht, sondern auch von jenen, die im bürgerlichen Gewand demokratiefeindliche Inhalte verbreiten.

In der anschließenden Diskussion ging es um Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Rechtsextremismus. Himmler betonte die Bedeutung persönlicher Beziehungen: Wer den Kontakt zu Freunden oder Familienmitgliedern abbricht, die sich radikalisieren, mache es ihnen umso schwerer, den Weg zurück zu finden. Es gelte, wachsam und informiert zu bleiben und zugleich im Gespräch zu bleiben. So schwer dies im Einzelfall auch sei.

Antijudaismus am Beispiel des historischen Ostfrieslands

Von: Kai Beitelmann

Was ist eigentlich Antijudaismus?

Die Untersuchung der Geschichte der Judenfeindschaft erfordert eine präzise Differenzierung der Begriffe Antijudaismus und Antisemitismus, um die historischen Phänomene adäquat erfassen zu können. Die Frühe Neuzeit ist primär durch Erscheinungsformen des Antijudaismus geprägt. Dieser wurzelte tief in religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Antagonismen und manifestierte sich in vielfältiger Weise. Der Begriff Antisemitismus, der eine modernere neuzeitliche Judenfeindschaft beschreibt, welche sich insbesondere seit dem späten 19. Jahrhundert formierte, kann für die Frühe Neuzeit nur mit äußerster Vorsicht und unter genauer Definition seiner spezifischen Bedeutung verwendet werden. Ältere Formen der Judenfeindschaft können jedoch als dessen Vorläufer und Nährboden betrachtet werden.

Hohe Auszeichnung für Wolfgang Kellner: Ubbo-Emmius-Medaille für herausragendes Engagement in der Erinnerungskultur

Wir freuen uns, dass ein Mitglied unseres Netzwerks eine besondere Anerkennung erhalten hat: Wolfgang Kellner wurde auf dem Oll‘ Mai 2025 für sein langjähriges und herausragendes Engagement in der Erinnerungskultur mit der Ubbo-Emmius-Medaille ausgezeichnet. Diese höchste Ehrung der Ostfriesischen Landschaft würdigt seinen unermüdlichen Einsatz für die historische Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die aktive Förderung des interkulturellen Dialogs in der Region.

Integration und Abgrenzung der jüdischen Gemeinde Neustadtgödens am Beispiel von Vereinen

Von: Stephan Horschitz

Die Entstehung des modernen Vereinswesens veränderte auch das jüdische Leben in Neustadtgödens nachhaltig. Mit dem wachsenden bürgerlichen Selbstbewusstsein, wirtschaftlichem Aufschwung und gesellschaftlicher Teilhabe fanden jüdische Bürger ihren Platz in Schützen-, Feuerwehr- und Kriegervereinen – oft in führender Position. Doch die Blütezeit dieser Teilhabe war begrenzt. Politische Umbrüche, wirtschaftliche Verwerfungen und zunehmender Antisemitismus ließen die jüdische Vereinskultur bis in die 1920er Jahre nahezu verschwinden. Der Beitrag zeigt, wie eng Vereinsgeschichte und Emanzipation miteinander verwoben waren – und welche Spuren jüdischen Engagements bis heute sichtbar bleiben.

Ausstellung „Jüdisches Leben in Norden“ geöffnet

Die Ausstellung „Jüdisches Leben in Norden“ des Ökumenischen Arbeitskreises Synagogenweg Norden e.V. sowie die Kleine Bibliothek in der Alten Jüdischen Schule (Synagogenweg 4) sind bis Ende August jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr geöffnet. Aktuell zeigt eine ergänzende Ausstellung die Geschichte des jüdischen Gemeindezentrums im Synagogenweg. Ein Besuch lohnt sich!