
Von: Ernst Sittig
In Ostfriesland gibt es keine aktiven jüdischen Gemeinden mehr. Die dort lebenden Juden sind auf die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg K.d.ö.R. angewiesen, um ihre Gottesdienste abzuhalten.
Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die Gründung der heutigen Gemeinde.
Anfang

Eine Synagogengemeinde existierte bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Oldenburg, der dazugehörige Friedhof wurde 1814 eröffnet.
1827 entstand in der Residenzstadt unter Großherzog Peter Friedrich Ludwig das erste Landesrabbinat im Herzogtum Oldenburg. Als erster Landesrabbiner trat der damals erst 25-jährige Nathan Marcus Adler sein Amt an.
Die erste bekannte Synagoge befand sich von 1829 bis 1854 in einem Privathaus an der Mühlenstraße, wo auch der Rabbiner seinen Wohnsitz hatte.
1854 legte Großherzog Nikolaus Friedrich Peter den Grundstein für eine neue Synagoge mit Schulhaus an der Peterstraße. 1905 konnte sie nach erheblichem Aus- und Umbau erneut eingeweiht werden.
Diese Synagoge wurde im November 1938 zerstört; gleichzeitig verschleppten die Nationalsozialisten den damaligen Landesrabbiner Leo Trepp zusammen mit weiteren jüdischen Männern in das Konzentrationslager Sachsenhausen.
Den Friedhof an der Dedestraße gibt es heute noch, jedoch gilt er als ein historischer Friedhof, auf dem keine Beerdigungen mehr stattfinden. (Seit November 2000 verfügt die Gemeinde über einen neuen Friedhof an der Sandkruger Straße.)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gründete sich die Gemeinde erneut. Unter Vorsitz von Adolf de Beer wurde zunächst ein Gebetsraum in der Cäcilienstraße eingerichtet, später kam es zu einer Verlegung des Gemeindezentrums in die Lambertistraße. Die Gemeinde löste sich jedoch mangels Mitgliedern Ende der 1960er Jahre wieder auf.
Zwar gab es noch Juden in Oldenburg zu dieser Zeit, sie mussten allerdings bis nach Hannover fahren, um an einem Gottesdienst teilnehmen zu können.
Gründung der heutigen Gemeinde
Die Geschichte der Neugründung der jüdischen Gemeinde zu Oldenburg geht bis in das Jahr 1983 zurück. Die Initiative zur Neugründung ging vor allem von gläubigen Frauen aus. Es begann mit einer Gruppe von drei Menschen, einer in Oldenburg wohnenden Israelin, Renee van Vugt, und zwei Oldenburger, Uta Preiss Ihle und Björn Ihle (Mutter und Sohn), die sich aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln entschieden, Hebräisch lernen zu wollen.
Neben dem Hebräisch-Unterricht wurde auch über das Judentum gesprochen und nach einiger Zeit begannen die drei, sich zu den jüdischen Feiertagen zu treffen und sie gemeinsam zu begehen. Die Gruppe suchte weitere Menschen mit jüdischem Hintergrund, die in Oldenburg und Umgebung lebten und lud sie zu den gemeinsamen Treffen ein.
So wurde die Gemeinschaft immer größer, es kamen Menschen aus allen Bereichen hinzu, so auch die spätere langjährige Vorsitzende der Gemeinde Sara-Ruth Schumann sel. A.
Zunächst traf sich die Gemeinschaft in einem größeren privaten Raum um schließlich Ende der 1980er Jahre die „Jüdische Gruppe zu Oldenburg“ zu gründen. Die Gruppe wandte sich an den damaligen Landesrabbiner von Niedersachsen Dr. Henry G. Brandt mit der Bitte, rabbinisch betreut zu werden. Einmal im Monat kam Rabbiner Brandt nach Oldenburg und betreute und unterrichtete die Gruppe. Er begleitete sie auf ihrem Weg zur Wiedergründung im Jahr 1992 als Jüdische Gemeinde zu Oldenburg und darüber hinaus. Ausschlaggebend war der Wunsch nach einem Ort, an dem jüdische Traditionen wieder gelebt werden konnten. 16 Teilnehmer/innen unterschrieben das Gründungsprotokoll der Gemeinde am 6. August 1992. Dies war nach der Shoa der zweite Versuch, in Oldenburg jüdisches Leben zu integrieren.
Wieder fanden die Gottesdienste zunächst in Privaträumen statt. Doch stellte die Stadt Oldenburg der Jüdischen Gemeinde die denkmalgeschützte ehemalige Baptistenkapelle in der Wilhelmsstraße zur Verfügung. Das Haus aus dem Jahr 1868 diente zunächst dem Guttemplerorden als Logenhaus und wurde ab 1916 vom benachbarten Peter Friedrich Ludwigs Hospital vorübergehend als Infektionshaus genutzt; später war hier bis 1984 das Institut für Labormedizin untergebracht. Bei der Sanierung konnte der wiederaufgefundene Schmuckstein der ersten Synagoge über das Portal des neuen Gotteshauses eingebaut werden. Nach umfangreichen Umbauten durch die Stadt wurde das Gebäude im März 1995 als neue Synagoge eingeweiht.

Zu dieser Zeit war die Gemeinde bereits aufgrund von Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion erheblich angewachsen. Zur Einweihung der neuen Synagoge war unter anderen auch der frühere Landesrabbiner Leo Trepp anwesend. Im ehrenden Andenken an den letzten Oldenburger Vorkriegsrabbiner wurde dieser Teil der Wilhelmstrasse umbenannt in Leo-Trepp-Straße.

Chronik der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg
Jahr | Ereignis |
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1334 | Erstmalige Erwähnung von Juden im Oldenburger Stadtbuch; wechselvolle Geschichte der Juden im Oldenburger Land |
16. – 18. Jh. | 23 jüdische Familien siedeln sich im Oldenburger Land an |
1810 | Wieder urkundlich nachweisbare Judengemeinschaft in Oldenburg |
1814 | Eröffnung des Jüdischen Friedhofs an der Dedestrasse/Ecke Dragonerstrasse |
1933 – 1940 | Drastische Dezimierung der Gemeinde durch Verfolgung, Flucht und Ermordung |
1938 | Zerstörung der letzten Vorkriegs-Synagoge an der Peterstraße |
1941 – 1945 | Keine jüdischen Gemeinden mehr in Deutschland |
1945 – 1960 | Wiedergründung einer kleinen jüdischen Gemeinde in Oldenburg |
6. August 1992 | Gründungsversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg |
1990er | Anwachsen der Gemeinde auf über 300 Mitglieder |
Dezember 1993 | Einführung von 2 Thora-Rollen |
5. März 1995 | Einweihung der Synagoge |
Juni 1995 | Einführung der Thora-Rollen in die Synagoge |
9. Nov. 2000 | Einweihung des neuen Jüdischen Friedhofs |
Herbst 2001 | Fertigstellung des Gemeindehauses |
Frühjahr 2002 | Fertigstellung der Mikwe |
5. Mai 2007 | Einführung der 3. Thora-Rolle |
2021 | Zurückgewinnung der Körperschaft des öffentlichen Rechtes |
2022 | 30-jähriges Bestehen der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg |
Die Oldenburger Gemeinde ist eine Einheitsgemeinde, die Bezeichnung für jüdische Religionsgemeinden im deutschsprachigen Raum, die zurückgeht auf die deutsche Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, das sogenannte `Autonomiegesetz´ von 1847, das den Juden nur eine jüdische Gemeinde pro Ort zugestand und die Juden verpflichtete, ihr anzugehören. Das bedeutet auch, dass sich Juden aller Glaubensrichtungen in der Gemeinde zu Hause fühlen sollen.
Außerdem ist die Gemeinde egalitär; Frauen und Männer haben im Gottesdienst die gleichen Rechte und Pflichten.
Amtszeiten der 1. Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg
Jahr | Vorsitz |
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1992 – 2012 | Gründungsvorsitzende Frau Sara-Ruth Schumann sel. A. bis zu ihrem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen |
2012 – 2019 | Jehuda Wältermann |
2019 – 2023 | Dr. Elisabeth Schlesinger |
Seit 2023 | Prof. Dr. phil. Claire Schaub-Moore |
Amts- und Betreuungszeiten der Rabbiner
Jahr | Rabbiner |
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1992 – 1995 | R. Dr. Henry Brandt, Landesrabbiner von Niedersachsen, betreut die neu gegründete Gemeinde |
1995 – 2004 | Frau Rabbinerin Bea Wyler |
2006 – 2008 | R. Daniel Alter |
2008 – 2011 | Übergangsweise Betreuung der Gemeinde durch den damaligen Landesrabbiner Niedersachsens, R. Jonah Sievers |
2011 – 2024 | Frau Rabbinerin Alina Treiger, Ortsrabbinerin für die Jüdischen Gemeinden Oldenburg und Delmenhorst |
04. März 2012 | Amtseinführung R. Jona Simon als Rabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen |
Ab 2025 | Zwei Teilzeit-Rabbiner: R. Netanel Olhoeft und R. Levi Israel Ufferfilge |