Wie Compact Memory die Forschung zu Ostfrieslands jüdischer Geschichte erleichtert

Von: Matthias Süßen

Die Erforschung jüdischer Geschichte ist oft ein Puzzle aus verstreuten Quellen, Dokumenten und Artefakten. Insbesondere, wenn es um kleinere jüdische Gemeinden geht, wie jene, die einst in Ostfriesland beheimatet waren, wird die Recherche schnell zu einer Herausforderung. Genau hier setzt das Projekt Compact Memory an: eine digitale Sammlung von unschätzbarem Wert, die den Zugang zu einer Vielzahl historischer jüdischer Periodika eröffnet und Forschenden sowie Interessierten umfassende Einblicke in die jüdische Vergangenheit ermöglicht.

Was ist Compact Memory?

„Norderney will ‚judenfrei‘ sein„. Artikel in der „CV-Zeitung“ vom 14. Dezember 1933:

Compact Memory ist ein Projekt der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, das historische jüdische Zeitschriften digitalisiert und kostenlos zugänglich macht. Die Sammlung umfasst derzeit über 500 Zeitschriften, die zwischen 1768 und 1938 erschienen sind. Derzeit sind rund 80.000 Einzelbeiträge von über 10.000 Autoren bibliografisch erfasst, und das digitale Archiv umfasst derzeit über 1.050.000 Seiten. In Zusammenarbeit mit anderen Bibliotheken werden nach Angaben von Compact Memory kontinuierlich fehlende Jahrgänge ergänzt und weitere relevante Zeitschriften in die Sammlung aufgenommen. Mit einem solchen Umfang und der thematischen Breite ist Compact Memory eine der bedeutendsten digitalen Ressourcen zur Erforschung des deutschsprachigen Judentums.

Die Beiträge in den Zeitschriften spiegeln die gesamte Vielfalt jüdischen Lebens wider – von religiösen Debatten über politische Fragen bis hin zu kulturellen Entwicklungen. Gerade für die Erforschung der kleineren jüdischen Gemeinden im Nordwesten bietet die Sammlung damit eine Fundgrube an Informationen, die andernorts oft schwer zugänglich sind.

Die jüdischen Gemeinden von Ostfriesland bei Compact Memory

Zum Tod von Landrabbiner Dr. Jonas Löb (1911). Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 8. Juni 1911:

Viele kleinere jüdische Gemeinden haben keine umfangreichen Archive hinterlassen. Historische Ereignisse und die Schrecken der NS-Zeit haben dafür gesorgt, dass ein Großteil der Dokumente verloren ging. Zeitungen und Zeitschriften aus jener Zeit waren jedoch oft überregional und berichteten auch über Ereignisse in den kleinen Gemeinden. Sie enthalten Berichte über Religion, Identität und gesellschaftliche Herausforderungen, mit denen sich auch die jüdischen Bewohner Ostfrieslands auseinandersetzten.

Diese überregionalen Quellen können wir dank Compact Memory gezielt für lokale Recherchen nutzen. Die digitalen Zeitschriften enthalten häufig Berichte und Anmerkungen zu kleineren Gemeinden, deren eigene Stimmen heute oft fehlen. Durch die gezielte Suche nach Ortsnamen, Personennamen oder spezifischen Themen lassen sich oft wertvolle Hinweise und neue Perspektiven auf die jüdische Gemeinschaft in Ostfriesland gewinnen. So finden sich hier beispielsweise Karl Anklams 1927 publizierter Artikel „Die Judengemeinde in Aurich„, das Generalprivileg für die Judenschaft in Ostfriesland vom 22. Sept. 1708, ein 1905 erschienener Beitrag zur Geschichte der Juden in Norden von Dr. Lewinsky neben Berichten über Zwistigkeiten in der Jüdischen Gemeinde von Leer, zu einer ungewöhnlichen Lehrkraft an der jüdischen Schule von Neustadtgödens während des Ersten Weltkrieges und Stellenanzeigen, zum Beispiel aus Jemgum.

Einblicke in das Alltagsleben und die Herausforderungen jüdischer Gemeinden

Bericht über die Abschiedfeier in der Synagoge Neustadtgödens 1936

Die Vielfalt der von Compact Memory digitalisierten Beiträge zeigt eindrucksvoll, wie die jüdischen Gemeinden mit den Herausforderungen ihrer Zeit umgingen. Ob Fragen zu religiösen Bräuchen, zur Emanzipation oder zur Integration in die Gesellschaft – die Themen, die in den Zeitschriften verhandelt wurden, gewähren einen Einblick in die Lebensrealität der Menschen. Forschende können hier beispielsweise nach spezifischen religiösen Praktiken, Debatten zur jüdischen Emanzipation oder den Auswirkungen von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen auf das jüdische Leben oder nach Spuren des Alltagslebens suchen.

Gerade für Themen wie die jüdische Bildung oder die Rolle der Frau in den Gemeinden bieten die Zeitschriften spannende Einblicke. Berichte über Rabbinerkonferenzen, Gemeindeveranstaltungen und interreligiöse Diskurse zeigen, wie auch kleine Gemeinden Teil eines größeren Netzwerkes waren und sich mit den Entwicklungen im gesamten deutschsprachigen Raum, aber auch im grenznahen Raum der Niederlande, verbunden fühlten.

Einfache Nutzung für die eigene Recherche

Die Nutzung von Compact Memory ist dank der durchsuchbaren Datenbank sehr einfach. Interessierte können nach bestimmten Schlagwörtern, Orten oder Namen suchen und so schnell relevante Artikel und Dokumente finden. Compact Memory vereint zahlreiche Archive und bietet eine zentrale Anlaufstelle, die eine mühsame Suche in zahlreichen kleinen und großen physischen Archiven überflüssig macht. Besonders für die Erkundung kleiner, oft weniger dokumentierter Gemeinden, ist diese digitale Zugänglichkeit ein unschätzbarer Vorteil. Ob Sie sich für die Geschichte einer bestimmten Familie, einer Gemeinde oder eines spezifischen Zeitraums interessieren – Compact Memory kann dabei helfen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und die Erinnerung an das jüdische Leben in Ostfriesland zu bewahren. Äußerst praktisch: Alle Artikel lassen sich als PDF herunterladen und im Volltext durchsuchen. So lässt sich schnell ein eigenes Archiv zu einer Gemeinde, einem Ort, einer Person oder Familie aufbauen.

Compact Memory und Frisia Judaica: Eine perfekte Ergänzung

Für das Netzwerk Reise in das jüdische Ostfriesland und Frisia Judaica ist Compact Memory eine wertvolle Ergänzung und großartige Hilfe. Dank der Digitalisierungsinitiative der Universitätsbibliothek Frankfurt sind heute Schätze zugänglich, die vor wenigen Jahren nur in mühsamer Archivrecherche auffindbar waren. Für Forschende, Geschichtsinteressierte und Nachfahren ist Compact Memory ein unverzichtbares Werkzeug, um die Vergangenheit lebendig zu halten und die Vielfalt jüdischen Lebens im deutschen Sprachraum zu würdigen.

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